Meine alten Joggingschuhe. Und die Kunst, Verlorenes festzuhalten. Ein wenig, jedenfalls.

Ich stolpere buchstäblich drüber: über meine fast vergessenen Joggingschuhe, an denen getrockneter Matsch klebt. Ich betrachte sie lange, mein innerer Schweinehund winselt auf. Du willst doch nicht wirklich?? Es regnet!! Bitte?!! Schau, ich mache dir auch einen Kaffee. Komm schon, komm, schau wie bequem das Sofa…

Doch so recht überzeugen kann er mich heute nicht, und so hüpfen meine Joggingschuhe und ich wieder mal zusammen los. Der Boden ist matschig und glitschig und fast rutsche ich aus, und mitten in den Matsch hinein. Außer mir ist niemand unterwegs, nicht mal ein Hund mit Mensch, bloß ich und mein Schweinhund, und der jault. Muskelkater, morgen hast du bestimmt Muskelkater! Unsere Runde ist klein. Vögel zwitschern, der Schwarzdorn blüht. Der Schweinehund gibt auf und trottet nun schweigend neben mir her, etwas in meinem Kopf wird leichter. Etwas wie eine Erinnerung klopft darin an. Eine Erinnerung an eine Zeit, in der ich öfter durch den Wald rannte, an eine Zeit, in der ich vielleicht leichter war, und freier. Vielleicht. Egal. Das hier jedenfalls, das fühlt sich, trotz schweren Beinen und altem Schweinehund, außerordentlich gut an. 

Die Leichtigkeit bleibt. Sie begleitet mich durch den regnerischen Sonntag, und lässt meine Schritte leichter werden, und das Atmen auch, selbst als mir beide Mädels beim Kochen helfen wollen und gleich hampfelweise Salz in die Sauce schmuggeln.

Für ihre Schleichpferde baut Lily aus Maispops einen Zaun und ärgert sich lautstark, als die Fee sich daran bedient. Es regnet, dann scheint wieder die Sonne, dann rüttelt der Wind an den Scheiben und will hereingelassen werden. Im Wald: Schwarzdorn, Schneeglöckchen in kleinen Gruppen, Kälte. Dagegen hilft die blubbernd heiße Lasagne. Als wir vor leeren Tellern sitzen, erzählt Lily vom Fafan, einem Fantasietier, so stark, dass es Löwen erlegen kann und so mysteriös, dass ihm im Winter Flügel wachsen. Nur Zwergfafane lassen sich zähmen, und sie sind im Gegensatz zu den echten Fafanen Vegetarier, erzählt sie weiter und die kleine Fee schüttet ihren Wasserbecher quer über den Tisch aus und patscht mit ihren Händen darin. Wasser tropft auf den Boden. Mit nassen Socken räume ich die Küche auf. Nasse Socken gehören nun mal zum Alltag mit kleinen Kindern, wie das Stehen auf liegengebliebene Legoteile (Herrgott, nicht schon wieder!). Wie Einkaufen im Schnellschritt, weil ein sehr kleiner Mensch mit sehr klarem Ziel vorausflitzt, oder wie angeklebte Nudeln vom Boden aufkratzen. Hier wird ein Becher umgestoßen, da Wasser über die Wanne geschaukelt, und dort lustvoll gegüdelt. Jedenfalls laufe ich oft, zu oft mit nassen Socken durch die Tage. Heute zeigt sich ein Regenbogen und die Mädchen bringen mir ihre Jacken und Schuhe und wollen nochmals raus. Dann malen sie, Lily den Regenbogen, und darunter schreibt sie erstmals ihren Namen, stolz und mit Pinsel.

Ich mache Yoga, und Lily erklärt, nun sähe ich genauso aus wie ein fliegender Fafan. Außerdem, informiert sie mich, gehe sie jetzt in die Küche und stibitze Erdnussbutter – und du bemerkst es nicht, okay?

Okay, sage ich und so tanzt die Zeit vorbei und die Mädchen mit Erdnussbuttermündern in der Stube und ich bin froh, als sie im Pyjama und mit geputzten Zähnen in Richtung Bett marschieren. Lily erzählt wieder vom Fafan, der ein Nagetier sei, und trotzdem ein Fleischfresser. Das Abendblau rutscht ins Dunkel, es wird still, bloß noch tiefes Atmen. Ich betrachte die Bilder, die ich auf unserem Spaziergang aufgenommen habe, die hellen Schwarzdornblüten, die friedlichen Schneeglöckchen. Ich mag die ersten Übergänge, wenn eine Jahreszeit langsam und zögerlich in die nächste fließt, ich mag sie, obschon sie mich an Abschied erinnern. Der frühe Herbst, mit seinem Hauch an Buntheit und seinen ersten kühlen Nächten, an den von meinem Vater. Die Schneeglöckchen und länger werdenden Tage, mit Versprechen an Frühling und Wärme an die kleine Seele, die schon vor so langer Zeit weitergezogen ist. Ich trage sie mit, ein wenig jedenfalls, halte das Verlorene fest, mit beiden Händen. Es ist wie ein Traum, oder wie ein Wunsch, der hell blüht, Schwarzdorn im März. 

Vor den Fenstern wird es tintenschwarz. Ich hoffe auf gute Träume und eine, trotz zahnender Fee, gute Nacht, in der ich nicht zu oft geweckt werde.

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2 Kommentare

  1. Trinke gerade meinen Nachmittags-Tee , lausche Deinen Worten und schaue zarten Kinderhänden beim Farbenspiel zu. Eine Schlange habe ich entdeckt. Hier im Norden scheint die Sonne, wenn es es auch mächtig kalt ist. Mein Stimmung ist gut, arbeite nur noch drei Tage. Joggen ist nicht so meins, aber heute morgen wäre ich beinah walken gegangen. Okay, mein Schweinhund hat noch einmal gesiegt, aber wir sind am Verhandeln. Drücke Dich, Susanne

    1. Ich habe die Schlange erst gesehen, als ich mir das Video nochmals angeschaut habe. Ach, der Schweinehund hat manchmal auch einfach recht 🙃 gutes Tee trinken wünsche ich dir 🫖

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