Mensch, sei doch kein Frosch

Mensch, sei doch kein Frosch! 

Hä? 

Lily steht vor mir. Locken und ein breites Grinsen.  

Mensch, sei doch kein Frosch – das kannst du mir sagen, wenn du dich über mich ärgerst. 

Mensch, sei kein Frosch?

Doch kein Frosch! Sie betont jedes einzelne Wort. 

Ich finde die Idee gut – ausserdem kommt sie gerade gelegen. Denn bei mir treffen sich die grosse Müdigkeit und das Gefühl, nicht zu genügen – und vergraulen mir den Tag, lassen mich ungeduldig werden und knurrig. Wenn ich laut werde, steht dahinter meist nicht Wut, sondern Müdigkeit, oder Überforderung, oder beides. Nun, da kommt so ein Frosch vielleicht gerade recht?

Die Idee gefällt mir. Und du sagst mir dasselbe, wenn du dich über mich ärgerst? Sie nickt und grinst noch ein bisschen breiter und wir verhaken unsere kleinen Finger.

Nun spielen die Mädels in ihrem Zimmer. Eine beunruhigende Ruhe bereitet sich aus. Sollte ich nachschauen? Zu verführerisch ist der kurze Moment der Stille. Ich versuche zu schreiben. Doch nicht nur die Müdigkeit und das Gefühl, nicht zu genügen sitzen mit mir am Tisch. Da ist auch sie wieder: die Schreibblockade. Habe ich sie euch schon vorgestellt? Sie ist schwer zu Fuss, und setzt sich besonders gern auf mein Notizbuch, oder auf meinen Laptop und runzelt dabei die Stirn. Wenn ich genau hinschaue, sieht sie ein bisschen aus wie Herr Eggensschwiler– der jeden einzelnen meiner Aufsätze mit einem knapp genügend bewertete. Alles, was ich schreibe, findet sie scheisse. Sie bleibt, bleibt einfach hocken, wie ein hartnäckiger Gast, wie Staub auf dem alten Schrank. Ob es an der Müdigkeit liegt, den vielen „nur noch Schnells“? An der ebenso hartnäckigen Erkältung? Dem Kopfweh? Dem kalten Frühling, in dem ich mich so ganz und gar winterlich fühle?

Wir fünf also in der Küche: ich, meine Müdigkeit, das Gefühl, nicht zu genügen, die Schreibblockade und Herrn Eggenschwiler. Sie schlürfen Kaffee und unterhalten sich dazu lautstark. Die Stille im Kinderzimmer wird mir unheimlich.

Ich schiele hinein. Die beiden strahlen. Sie haben jedes einzelne Plüschtier mit Zinksalbe eingerieben, die Pelzchen glitzern weiss und klebrig. 

Mensch, sei kein Frosch! 

Doch kein Frosch!

In der Küche kichern Herr Eggenschwiler und die Schreibblockade. Seid ihr auch mal keine Frösche, brummle ich und entsorge die leere Tube Zinksalbe. 

Ich lasse die Zeilen leer.

Regen tropft aufs Dach, vor dem Fenster verschwimmen die Farben im Grau.

Was tun gegen die Müdigkeit?

Gegen das Gefühl, einfach nicht zu genügen? 

Wie bringe ich Zink aus Pelz?

Wärme in den Tag?

Vertrauen zurück?

Die doofe Blockade aus dem Haus?

Wie werde ich ausgeglichener?

Weniger Frosch?

Vielleicht genügt erstmals, Schritt für Schritt zu nehmen und keine (zu) grossen Sprünge zu planen. Einatmen, Ausatmen, Gut sein lassen.

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4 Kommentare

  1. Es gut sein lassen, hört sich prima an. Zu mir kamen heute gleich drei Kröten. Eine meinte: ‚Ich bin nicht gerade hübsch und doch liebst du mich heiß und innig.‘ Bin mir wohl grad nicht hübsch genug. Und müde bin ich auch – ist auch Neumond. Und mal so nebenbei, Du schreibst wunderbar, ob ausgeschlafen oder nicht. Herzliche Grüße an Herrn Eggenschwiler. – Ich mach jetzt mal Siesta, denn heute ist es knalle heiß draußen. Das Bild ist schön. Drücke Dich, Susanne

    1. Danke liebe Susanne☺️ … was man sich nicht immer alles gut genug ist, gell… ich werde die Grüsse Herrn Eggenschwiler ausrichten 🙃 Siesta klingt gut – hier ist es immer noch kalt. Morgen soll es auch heiss werden –
      Drücke dich zurück

  2. Ich wär froh, wenn die olle Frau Müdigkeit, Frau penetrante Schreibblockade, Fröilein nicht zu genügen und mein Fräuein Dr. Burckhardt mich zu solch tollen Texten inspirieren würden. Ich bin immer wieder begeistert, wenn ich deinen Blog lese.
    Sei ein Frosch und hüpf von Wort zu Wort, von Gedanke zu Gedanke!
    LG Emma

    1. Oh, Fräulein Dr. Burckhardt klingt auch nach einem strengen Blick … danke dir 🙏
      Und vielleicht hast du recht, vielleicht ist ein bisschen Frosch sein gar nicht so schlecht…

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