Der rote Teppich
Arrgh. Mal wieder eine Nacht mit zu wenig Schlaf. Der Tag scheint (zu) hell und (zu) lang, er rollt sich aus wie ein roter Teppich, bloß mit weniger Glamour und mehr Alltag. Lily tanzt wild darauf herum – zu den Kindergartenhits, die sie aktuell so liebt, mir allerdings bereits zu den Ohren heraushängen. Es gibt einfach zu wenig gute Kindermusik, die auch Erwachsene mögen. „Eltern sein ist so…“ Fehlannahme 287: Kinder hören die Musik gerne, die die Eltern ihnen von klein an vorspielen… Vielleicht irgendwo bei irgendwem, meine Kleinen jedenfalls lieben dieses ganze Rämtämtäm, in der es von Bären und Clowns wimmelt. Jetzt hören wir was, das mir gefällt, wird mit lauten Protestrufen begleitet.
Der Tag zieht sich hin, die Minuten honigverklebt, helle Wolken ziehen über den Sommerhimmel. „Mama, hier draussen riecht nach Dinosauriern und Käse!“ ruft Lily fröhlich. Okay. „Riechst du es auch?“ fragt sie mich. Ich schnuppere.
Die Fee versucht ihre ersten Gehversuche, berührend; doch scheint der rote Teppich kein Ende zu nehmen. Mir flimmert es und ich fühle, wie sich eine Atemlosigkeit und Gereiztheit in den hellen Sommertag schleicht. Zum Glück ist Himself mittlerweile eingetrudelt. Es ist Zeit, dem Rufen und Blitzlichtgewitter zu entfliehen. Der helle Sommertag verwandelt sich. Pastell mischt sich hinein, frischere Abendluft. Ich lege mich in die Hängematte. Sommerabend. Glück. Zeit für einen Rückzug, Zeit, meinen Boden zu finden. Für Ruhe, ohne die Clowns und die Bären, Zeit für Stille, in der ich meine eigene Stimme hören kann. Du bist weiser als du denkst, sagt sie.

In der Nacht träume ich einen Bergsturz. Während ich versuche wegzurennen, ärgere ich mich darüber, dass ich den ganzen Tag nur herumgestanden bin. Ich wache auf. Wieder eine Nacht mit zu wenig Schlaf, doch der Tag bereitet sich aus, weit, leer, bereit gelebt zu werden. Hoffentlich lebe ich ihn tief und stehe ich nicht nur so rum, flüstert meine Stimme im ersten Morgenlicht. Hoffentlich finde ich, gerade im Chaos, meine Ruhe, mein Sturmauge. Es liegt an mir, ihn immer wieder zu suchen, diesen Ort in mir, der stark ist, geerdet, gesetzt.
PS: ruhige und verträumte Kindermusik gibts übrigens von Jaël auf ihrer Kinderlieder CD „Sensibeli“. Ich glaube, es gibt auch ein Kinderbuch dazu und erzählt von einem feinfühligen, hochsensitiven Kind. Das Buch kenne ich nicht, die CD mag ich gerne, gerade weil sie mit feinen Tönen und Texten, und ohne das ganze rämtämtäm daherkommt.