Ein alter Prophet

Die langen Nächte sind nur kurz. Die kleine Fee weckt mich oft, um ein paar Schlückchen zu trinken, die Nähe zu spüren und dann gleich wieder einzuschlafen, so als wollte sie sich vergewissern, dass ihre Welt noch stimmt. Muss ja auch schön sein, denke ich mir, wie im Land wo Milch und Honig fliesst. 

Das Land, wo Milch und Honig fliesst? Ein seltsamer Ausdruck eigentlich, und woher kenne ich den bloss? Doch genau, wollte nicht Moses alle Hebräer dorthin führen, versprach er nicht das „Land, wo Milch und Honig fliesst?“ Seltsam eigentlich, war er doch das Binsenkörbchenkind. 

Verlassen, von der Pharaonentochter aufgezogen, aber von seiner Mutter als Amme noch gestillt, ein Weilchen jedenfalls. Der, als erwachsener Mann, mit Ach und Krach und jensten Plagen mit dem Pharao brach und aufbrach und dabei alle Türen so heftig hinter sich zu knallte, dass es nie mehr ein Zurück geben konnte? 

Kommt er selbst eigentlich in Israel an? Ich glaube nämlich nicht. 

Denn vielleicht war seine Suche noch schwieriger als das Finden von Freiheit: vielleicht suchte er, bärtig und alt, mit all den Gesetzen und dem Stab und voller Gotteszorn irgendwo, tief, tief, tief in sich drin nach der verlorenen Mutter. 

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3 Kommentare

  1. Liebe Nina, als ich mit dem Schilf am Gange war, musste ich auch an Moses denken. Ist ‚Mogli‘ eigentlich auch in einem Schilfkorb ausgesetzt worden? – Den Gedanken mit der Suche nach der verlorenen Mutter, finde ich sehr schön. Ich wünsche Dir und Deinen Lieben eine schöne Winterzeit. Herzensgrüße, Susanne

    1. Hmm, bin mir grad nicht sicher, aber es kann gut sein, dass Mogli ebenfalls so aus dem Fluss gefischt wurde… was für ein Bild, eigentlich.
      Ich musste heute auch immer mal wieder an die Mutter denken, die ihr Kind zweimal aufgeben musste.
      Ich wünsche dir auch eine schöne Winterzeit!

      1. Liebe Nina, ich drücke Dich mal durch den Äther. Ich sitze hier gerade mit meiner Katze im Kerzenschein und wir schauen wie die Mondin langsam den Himmel verlässt und die Sonne aufgeht. Habt eine gute Zeit. Liebe Grüße, Susanne

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