Die Nachthexe

Ah ja, meine Sehnsucht nach einer Nacht, die nur mir gehört, nach einer Dunkelheit, die heilt, und in der ich ganz ich sein kann, tief und friedlich und neu… 

Wisst ihr noch? 

Die Wahrheit ist: Ich wache. 

Oder öfter noch: ich werde geweckt. 

Manchmal sehe ich dann aus wie eine 129 jährige Hexe. Bucklig, Haare wild, Augen wild, Stimme krächzend. Mir fehlt bloss noch der Rabe. Und die Warze. 

Lass uns in Frieden einschlafen und in Frieden aufstehen, singe ich den Mädchen im blauen, sich langsam ausfransenden Abend. Doch dann, mitten im Nachtdunkel, da könnte ich ganz schön fauchen. Tu ich manchmal auch. Tut mir dann leid. Aber, die 129 jährige Hexe ist einfach schneller als ich. Lasst mich doch alle mal in Ruhe schlafen, krächzt sie, die Haare ganz verstrubbelt. Über ihr schlägt ihr Rabe mit den Flügeln.

Ich lasse sie in die Nacht hinausrauschen. 

Ich bleibe. 

Ich wache. 

Ich träume. 

Ich suche. 

Nach Schlaf, nach Dunkelheit, nach Rat, nach mir. 

Das Morgenlicht blinzelt ins Zimmer, die Sonne spiegelt sich im offenen Fenster.

I bi ä Schatte, ruft das grosse Mädchen. 

Ich auch. Hihi. Ich auch. 

Dieser Schatten schleicht sich nun in den hellen Tag und wuselt und werkelt und tut, und träumt, dann und wann, von Ruhe und Dunkel und Nacht.

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5 Kommentare

  1. Wundervoller Text! Poetisch und witzig. Danke dafür!

    LG Marion

    1. Vielen Dank, ich habe mich sehr über deine Worte gefreut!
      Nina

      1. 😊

  2. Stell Dir vor wir begegnen uns in der dunklen Nacht – zwei so alte Furien. Das wäre lustig. – So schön geschrieben, mit einem lachenden Auge. Das braucht es wohl in der Nacht. Herzensgrüße, Susanne

    1. Das wär doch was!
      Herzensgrüsse zurück

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