Oh, oh, Oktopus (oder ein aktuelles Lieblingsbuch)

«Mama, chum ufsta, Sofa ga, kuschle!» Die Ansage ist ziemlich klar und Lily hüpft schon mal voraus. Ich blinzle. Es ist zwar sehr süss. Aber auch noch sehr früh.

«Chum, Büechli zelle!» ruft sie jetzt und ich schinde mit einem «Ja, grad» noch ein bisschen Zeit und gähne und schlurfe in die Küche, um einen Kaffee zu brauen. Die Espressomaschine faucht. Die zwei Tassen am Tag müssen wohl und weise gewählt werden. «Chum» ruft sie noch einmal und ich antworte ihr mit: „Geduld, Geduld, noch sehe ich etwa gleichviel wie eine Mühlwaus». Ihr ist egal was eine «Mühlwaus» ist. Sie erwartet mich bereits mit Oh, oh, Oktopus, einem ihrer Lieblingsbücher. Gut, denn ich mag es nämlich auch. Nicht nur, weil ich Tintenfische mag (und ich meine hier nicht Kalamari!) sondern auch, weil es so schön gezeichnet ist und die Geschichte sich so schön erzählen lässt und er irgendwie sympathisch ist, der etwas unsichere Oktopus, auf der Suche nach seiner eigenen Meinung. Ausserdem erscheinen nebst bekannten Meereskreaturen wie dem Wal, den Quallen und den bunten Fischen noch eine Meerjungfrau.

Der Tag zieht sich lang. Ich bin müde. Ich bin eine Mühlwaus. Ich habe immer mal wieder Übungswehen. Ich wäre gerne geduldiger. Ich wäre gerne abenteuerlustiger. Ich wäre gerne «anders». Und «mehr». Was auch immer das ist. Ich verschiebe den Grosseinkauf auf Morgen. Zum Zvieri tuts auch eine Glace, beschliesse ich und für mich gibt’s ausnahmsweise eine dritte Tasse Kaffee. Mit wenig Pulver. Der Kaffee schmeckt trotzdem gut. Das Zabli scheint sich nicht daran zu stören. Gut. Lily will heute kleiderlos und windelfrei sein, mir ists recht so, denn überraschenderweise zeigt sich die Sonne mal wieder. Die graue Wand hat einem blauen Himmel mit grossen, weissen, fast schon dramatischen Wolken Platz gemacht.

Wir diskutieren ein bisschen. Zum Beispiel darüber, dass wir «so aber in «unserem Gärtchen» bleiben und nicht ganz nach draussen gehen». Ein eigentlich ganz normaler Tag eben, wenn auch ein bisschen anstrengender und ein bisschen übellauniger als die anderen. Irgendwann machen wir uns auf dem Sofa gemütlich und tauchen nochmals ein in die Unterwasserwelt. «In einer gemütlichen Meereshöhle wohnte einst ein Oktopus», beginne ich. Lily kuschelt sich an mich. Ich schnuppere ihr Haar. «Er führte ein schönes Leben…» fahre ich fort und atme ihn ein, den Frieden, der sich um uns herum ausbreitet.

Himself kommt nach Hause und kocht mir einen süssen Tee und hat die Energie mit Lily Häsli, hüpf zu spielen. Sie quitscht vor Freude.

Ich bin still. Bloss eine kleine Stimme in meinem Kopf spricht. Habe ich heute mein Bestes gegeben? fragt sie. Wahrscheinlich nicht. Wohl aber gut genug, und gut genug, ist gut genug. Allemal. 

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3 Kommentare

  1. Du hast bestimmt Dein Bestes gegeben!!! Ich schicke Dir einen Gruß aus dem heißen Norden. Neben mir steht ein große Teetasse mit einem großen gelben Oktopus darauf. Habe heute mit Deiner Schwester zusammen Mittag gemacht, draußen im Hof. Hast Du schon einen Stichtag? Küßchen, Susanne

    1. Danke! Versucht hab ich es, das Beste ist halt nicht perfekt 🙃

      Und , wurde das Mittagessen lecker?

      Der Stichtag ist der 1. Juli…
      😘

  2. Vor Kurzem habe ich einer Geschichtenerzählerin gelauscht. Ihr Erzählstil war perfekt – doch hat es mich nicht berührt. Dann kam eine Erzählerin und sie war recht ungeübt. Sie machte Fehler, aber ihr Herz lachte dabei. Ihre Geschichte war lustig und lebendig. – Was ich sagen möchte, ist, perfekt, ist ein hoher Anspruch und muss meiner Ansicht nach nicht sein. Deine Erzählung berührt mich, weil sie aus dem Leben gesponnen ist. – Das Essen war lecker. Wir hatten uns jede was mitgebracht. – Bis zum 1. Juli ist ja garnicht mehr weit. Ich wünsche Dir eine gute Zeit. Alles Liebe, Susanne

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