Der Zauber (oder wie ich eine ganze neue Welt entdecke)

Meine To – do – Liste blinzelt mir zufrieden zu. Mit Kugelschreiber habe ich Häkchen hinter die einzelnen Wörter gesetzt. Aufräumen. Staubsaugen. Mail schreiben. Geburt anmelden. Wäsche. Yoga. Hometrainer. Bloss ein Wort steht noch häkchenlos da. Es blinzelt nicht, sondern guckt eher vorwurfsvoll und ein bisschen enttäuscht. Schreiben steht da wie ein Schüler, der im Sport als Einziger noch in kein Team gewählt wurde.

Ich schiebe weiter auf, mit allen Klassikern, checke nochmals meine Mails, schaue in den Kühlschrank und beginne sogar Socken zu sortieren. Irgendwann zünde ich eine Kerze an, starte Bach (denn ich habe mal gehört, dass Bach die Konzentration stärke, Schüler dazu besser lernten und Kühe mehr Milch gäben etc). 

Dann lege ich mich ins Bett, öffne Word und blinzle auf den blinkenden Curser. Draussen vor dem Fenster ziehen die dunklen Maiwolken vorbei. Schreib wasIrgendwas

Ich bin ein Wal, tippe ich und lösche den Satz schnell wieder.

Aber es stimmt. Jedenfalls sehe ich mittlerweile so aus. Oder wie jemand, der versucht einen Medizinball unter dem Pulli rauszuschmuggeln, genauso sehe ich aus, wie eine Medizinballdiebin. 

Mein Bauch nimmt nicht nur räumlich viel Platz ein, sondern auch in meinen Gedanken. Bei Lily wollte ich einfach alles so auf mich zukommen lassen. Diesmal kann ich nicht aufhören, mich zu informieren, Neues lernen zu wollen, eine Welt tut sich auf, eine bisher unbekannte Welt. Ich mag sie. Sie ist irgendwie zauberhaft. Himbeerblättertee, Heublumendampfbäder, Schwangerschaftsyoga, ätherische Öle, Affirmationen, Atemübungen, Akupunktur. Manchmal schreckt sie mich auch ab. Dammmassage. Dehnungsstreifen. Omaschlüpfer. Obschon, eigentlich mag ich die. Sie sind schön bequem. Diese neue Welt nimmt mich ganz schön ein. Ich trage mehr als ein Kind. Himself und ich haben gestern damit begonnen, einen Hypnobirthing Onlinekurs zu machen. Ehrlicherweise bin ich beinahe vom Sofa gekippt, als Himself die «J – Atmung» ausprobierte. Es klang eher wie ein kaputter Dampfkochtopf. Hihi.

Diesmal will ich die Dinge nicht einfach auf mich zukommen und geschehen lassen. Denn schliesslich geht es hier um mich, meinen Medizinballbauch, mein Zabli (das mir eben sehr entschlossen in die Rippen gekickt hat!), um die Geburt, die gleichzeitig so abschreckend wie zauberhaft ist. Damals bei Lily habe ich ihn gespürt, den Zauber, er stand plötzlich im Raum und machte alles andere wett. Diesmal will ich ihn bewusst einladen. Ich will bewusste Entscheidungen treffen können, bewusst wahrnehmen können, bewusst Einfluss nehmen können und sei es auch nur darauf, wie ich auf eine Situation reagiere, die sich vielleicht meiner Kontrolle entzieht. 

Darum lerne ich und fühle und atme und glaube. 

PS: eben habe ich stolz ein fettes Häkchen hinter Schreiben gesetzt. Ich glaube, er war froh, schon fast erleichtert. Dann ging ich zum Fenster, draussen war bereits dunkle Nacht. Ich suchte nach einem Stern. Gesehen habe ich keinen. Die dunklen Maiwolken ziehen wohl noch immer vorbei.

Foto: Himself 

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6 Kommentare

  1. Hallo meine Liebe, würde Dich ja gerne mal sehen mit Deinem kugelrunden Bauch. Gib dem Zabli ein Küßchen von mir und Dich drücke ich. Liebe Grüße aus dem Norden,
    Susanne

    1. Das wäre schön. Mache ich und drücke dich zurück, Nina

  2. Diese To-Do-Liste kenne ich gut – in der Verzweiflung putze ich sogar Fenster, wenn es regnet, nur dass ich eine Ausrede habe 🙄 Bei bleibt meistens „anrufen“ übrig, wie du so schön formuliert hast „wie ein Schüler, der im Sport als Einziger in kein Team gewählt worden ist.“ In der Zwischenzeit haben sich schon so viele „Anrufe“ auf meiner Liste angesammelt, dass diese ein eigenes Team bilden können. 😃

    Ich wünsche dir und Zabli im Medizinballbauch viel Glück.
    Mein Kompliment an Himself – das Foto ist gigantisch schön!

    1. Ich habe mir ernsthaft überlegt die Fenster zu putzen😂
      Merci dir! Himself hat sich über das Kompliment gefreut 😊

  3. Wenn ich Dich nicht sehe, da wir ja so unendlich weit weg wohnen, grins, grins, grins, schreibe ich mal einen Kommentar. Wunderbar geschrieben, auch dieser Text. Authentisch und leicht wie eine Feder. lch kenne die to-do-Liste auch sehr gut. Habe immer eine irgendwo, immer ein Kästchen, das nicht abgehakt ist. Im Moment: schreiben….. herzlich Silvia

    1. Liebe Silvia, merci!
      Schön übrigens von dir zu hören, ich habe dich ja wirklich schon eeeewig nicht mehr gesehen. Ich werde auch noch ein bisschen in den silistories stöbern.
      Komm bald auf einen Kaffee!
      Hoffe du hattest einen schönen Nami. Bis bald☺️

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