Gedankenwirbel

Klaus, der Sturm, fegt über die Veranda, wirbelt und weibelt und klopft gegen die Scheiben. Gedankenmuster wirbeln irgendwo in meinem Kopf, schnell und flüchtig. So richtig einfangen kann ich sie nicht. „Hey Siri, spiel Dolly Parton“, sage ich, keine Ahnung, wieso. Aber sobald Jolene, Jolene plötzlich in meinem Wohnzimmer steht, weiss ich, dass ich genau das jetzt brauche. Jolene, Jolene, Jolene, singt Lily sofort mit. Die Wahl scheint ihr zu gefallen, normalerweise will sie immer Kindalieda hören (wir haben uns die deutschen Kindalieda bereits so oft angehört, dass sie angefangen hat den r zu rugelen. «Oh, gugg, rrrräge», oder «o gugg Rrrross“ ruft sie, oder will noch schnell auf die Rrrrutschbahn).

Wir sind umgezogen. Die allermeisten Kisten sind ausgeräumt. Der Bauch wächst und wächst und manchmal stosse ich ihn an. Pünktchen heisst jetzt Zabli und kickt und zablet schon ganz ordentlich. Ich kann wieder mehr oder weniger normal essen, mache wieder Yoga, schlafe besser, fühle mich kräftiger und dennoch… irgendwo in mir, tief in mir, ist da eine Enge, eine Stille, und darin ein Wunsch, den ich nicht so ganz fassen kann, der mich jedoch manchmal zum Träumen und manchmal zum Weinen bringt.

In einer poetischen Anwandlung habe ich darübergeschrieben: 

Träume gegen die innere Enge
ein Buch zur Ablenkung
ein erfundenes Leben
ein verlorenes Ich
eine Muschel am Ohr, darin kein Meer
bloss das Echo der eigenen Stille, des Ungelebten, der heimlichen Wüste
und irgendwo, vielleicht, ein Stern

Es ist, als hätte diese Stille in mir so richtig Durst. Einen, wie man ihn nur beim Stillen oder einem üblen Kater hat. Der Alltag hängt an meinem Bein wie ein Kleinkind, das dringend schlafen sollte, aber einfach nicht will. Die Gedanken wirbeln noch immer. Ich schnappe nach einem, erwische ihn gerade noch so am Zipfel. Er glitzert. Er flüstert mir etwas zu. Jeder Tag bringt die Möglichkeit zu Neuem im Leben.

Der Gedanke wirbelt davon. Ich setze mich auf den Teppich im Wohnzimmer, auf dem Lily immer tanzt. „Hei Siri, spiel Love Me Tender“, sage ich diesmal und Lily beginnt, um mich herumzuwirbeln, mal in kleinen, mal in grossen Kreisen. Mit meinen Armen beginne ich, nach ihr zu schnappen. Sie lacht laut, wenn ich sie verfehle und noch lauter, wenn ich sie erwische. Dann ziehe ich sie an mich, und gebe ihr viele Müntscheni und sie riecht nach Holz und Freiheit und Neuanfang. 

Dann lacht sie und wirbelt davon. 

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5 Kommentare

  1. Das hat hier auch ganz schön gepustet.

  2. Du bist eine Poetin, Nina, – eine mit ganz viel Tiefgang! Ich lese deine Blocks sooo gerne! Härz, dm

    1. Liebe M. Merci vielmal🙏 ich hoffe dir gehts gut!

  3. Zauberhaft Deinen Gedankenwirbel und Deinen Sternengedicht. Ich tanze mit Euch auf dem Teppich. Liebste Grüße, Susanne

    1. Vielen Dank! Schön, wenn du mittanzt!

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