Das Seelenwochenende

Lily betrachtet ein Foto und meint: Bach. Nein, sage ich, das ist das Meer. Und ich fühle dabei ein Fernweh, eine Sehnsucht und die ist gross und stark. Ach Freunde, ich habe Frust. Vom Trott und Alltag und der Allgemeinen Enge. Und Zweifel habe ich auch. Manchmal denke ich, hier genauso schlecht hinzupassen, wie ein Pickel auf die Nase.

 

Ich will weg. Und sei`s auch nur auf den nächsten Höger, von dem man in die Weite schauen kann. Zum Glück ist Samstag und so fahren wir los und es regnet leicht und wir gehen Mittag essen, ein Curry für mich, Rösti für Himself und Pommes für die Kleine und dann laufen wir über Wiesen und blicken in die Ferne. Es ist grau. Der Jura verbirgt sich in grauen Wolken und die Alpen zeigen sich nur schüchtern. Aber wenigstens sind wir allein, ohne die Wanderer und „Anderen“.

Daheim nehme ich ein Bad, zünde mir eine Duftkerze an und fühle mich wie in einem Film, so lange jedenfalls, bis Lily beschliesst, ebenfalls in die Badewanne zu hüpfen und plötzlich Caca, Caca ruft. Ich springe schneller als ein Känguru. Ist zwar bloss ein Fehlalarm, aber sicher ist sicher. 

Lily bekam zum Geburtstag einen Wassermalkasten geschenkt und ist begeistert. Spaghetti essen? Nein danke, lieber male ich, signalisiert sie klar und deutlich. Schlafen? Nö, ich habe noch was zu tun… Nach draussen gehen? Nei, wow meint sie entschlossen. Zwei Stunden am Stück malt sie pausenlos und kaum sind die Farben verstaut, fragt sie bereits: Wo is de Wow??

Wir versuchen dieses Wochenende möglichst lang zu ziehen. All den fiesen to – do`s, die wir normalerweise hinein quetschen, knallen wir die Türe vor der Nase zu. Dafür gehen Himself, ich, Lily und ihr Bär sonntags bereits in der Früh zum Beck und dann direkt in den Wald. Er riecht so gut. Geheimnisvoll und dunkel und erdig. Gugg, Bä, Bööme, ruft Lily und streckt den Bären hoch hinauf in die Luft. 

Wir brauchen lange, bis wir wieder zu Hause sind, aber das ist uns egal, denn für einmal scheint die Zeit weit. Wir essen Schokolade und Curry und strecken unsere Beine. Ich sage zu Himself, meine Beine täten weh, als sei ich zehn Tage, hundert Tage, jeden Tag gelaufen und Himself meint, du klingst wie ein Erstklässleraufsatz.

Ich lasse ihn Kaffee kochen und beobachte die Spätsommerwolken und koste es aus, das Seelenwochenende. Und wisst ihr was? Es geht mir trotz Trott und Frust und der Allgemeinen Enge besser. Ein wenig jedenfalls.

Der „Bach“. Und meine Sehnsucht. Sie bleibt wohl trotzdem noch ein bisschen.

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4 Kommentare

  1. Manchmal sehnt man sich in die Ferne und findet dann doch das kleine Glück vor der Haustür. Bin auch gerade mit vielen Alltäglichkeiten beschäftigt und gönne mir dann auch ab und zu eine kleine Auszeit. -Ich glaube, ich tauche meine Hände heute noch mal in die Hollerbären und male tiefrote Klecksblumen. Küßchen, Susanne

    1. Tiefrote Klecksblumen zu malen klingt nach einem wunderbaren Plan! Ich wünsche dir immer wieder schöne kleine Auszeiten von allen Alltäglichkeiten! Küsschen zurück, Nina

  2. Seelenwochenende – ein schöner Begriff. Werde ich mir merken.
    Mal aus dem täglichen Trott und Umgebung rauskommen tut gut. Und wenn’s nur auf den nächsten Hogger ist. Weitblick, andere Perspektive, eine Steife Brise, die um die Nase weht. Das lüftet den Kopf und gibt Kraft und neue Ideen.
    War ein guter Entscheid, die Seele baumeln zu lassen.
    Schöne Woche – Emma

    1. Fand ich auch! Und es gibt nichts Besseres, als mal aus dem Trott auszubrechen. Habe deinen Bericht zu deiner Auszeit auf dem Weissenstein gerne gelesen!

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