Wege zum Glück (oder wie ich lernte, wie es mir im prallgefüllten Alltag gut gehen kann)

Lange war mein täglicher Walk ein wundersames Gesamtpaket: meine Me -Time, meine Therapie, meine Bewegung und meine Art die Umgebung, die Jahreszeit, die Natur und ja, auch mich selbst und mein manchmal ganz schön kompliziertes Innenleben wahrzunehmen. Ausserdem konnte ich Lily unsere kleine Welt vorstellen, immer zeigte sich ein Vogel oder eine besonders schöne Blume, ein Regenbogen, ein Lastwagen oder ein Luftballon und manchmal auch ein Reh, das wir bestaunen konnten. Alles was ich tun musste, war Lily in ihren Wagen zu packen und loszuziehen, über Feldwege und durch den Wald und manchmal an die Aare. 

Dann, eines Morgens, beschloss sie, dass der Wagen was für Babies sei und sie, vielen Dank auch, selber laufen werde.

Bloss tut die dies nicht. Nicht wirklich, jedenfalls. Denn unsere Welt bietet viel mehr als Vögel und Blumen und die Pferde auf der Weide. Es gibt die Treppe zur Kirche, die man mindestens 10 mal hoch und wieder runterlaufen muss. Der Nachbarshund, der zwar bellt und kläfft, aber trotzdem geliebt wird. Das Kirchenhäuschen, hinter dem man sich verstecken kann. Fünf Meter weiter vorne: ein Stromkasten! Die Rutschbahn, auf der sich so gut „Mamamu will rutschen“ spielen lässt. Siebenhunderttausendmal.

Steine! Zigarettenstummel! Ein Käfer! 

Jetzt geht`s zwar weiter, aber bestimmt nicht im Wagen. Selber laufen macht aber irgendwie auch keinen Spass mehr. Sie streckt die Arme hoch. Näh! Als ich sie vom Arm jedoch in den Wagen transferieren will, ist der Protest so laut, dass selbst der taube Vogel davon flattert und jedes Reh im Maisfeld verschwindet. Bloss der Lastwagen knattert unbeschwert weiter. Saperlott, sage ich, etwas hilflos, denn wo ein Wille, da kein Spazierweg!

Ich musste für mich neue Wege finden. Denn ohne unseren Spazierweg da fehlt sie, meine Pause vom Alltag, vom nur noch schnell. Vom nur schnell die Spülmachine ausräumen. Vom nur schnell den Wäscheberg abtragen. Vom nur noch schnell Mittagessen machen. Lily hat sowieso kein Verständnis für nur noch schnell“. Ich hebe sie hoch. Vielleicht schauen wir ein Buch an oder einfach aus dem Fenster, zu den Nachbarskühen und den Pferden, die dann und wann ungeduldig ihren Kopf schütteln, um die störenden Fliegen zu vertreiben. Manchmal ist es sinnvoll nur noch schnell auf später zu verschieben.

Draussen treffen wir unsere Nachbarin. Sie hütet ihre Enkel. Ich habe ein schlechtes Gewissen, sagt sie plötzlich zu mir, aber ich lasse sie meist etwas TV schauen. Aber ich brauche mal 5 Minuten, in denen ich einen Kaffee trinken kann. I hearya. I feelya. Der Alltag mit Kindern ist anstrengend. Die Arbeitszeiten sind das hinterletzte, die Bezahlung sowieso, jeder hat eine Meinung oder denkt sogar, er könne deinen Job besser erledigen als du, Trockenshampoo wird dein bester Freund und wenn du auf dem Spielplatz ins Handy guckst, ist der Ruf dahin. Du machst dir ständig Sorgen. Plötzlich wird dir bewusst, in was für einer verrückten und oft auch gefährlichen Welt wir leben. Und das Wissen lässt dich nie mehr ganz los. Es ist wie eine zweite Haut, die sich unbemerkt auf dich legt, oder wie die kleinen Härchen auf der Haut, die man oft kaum bemerkt, die sich aber manchmal aufstellen und laut Gefahr, Gefahr! rufen. Du hast Angst, das Baby zu verlieren, du hast Angst, das Baby zu kriegen, du hast Angst, keine gute Mutter zu sein, du hast Angst vor dem plötzlichen Kindstod, dem stillen Ertrinken, vor all dieser namenlosen Gefahren, die «da» sind. Du schläfst meist zu wenig. Du bist gleichzeitig Chauffeuse, Putzfrau, Köchin, Sekretärin, Trösterin, Märcheberzählerin und Zuhörerin – aber das sind eigentlich nur die Nebenjobs, denn du bist noch viel mehr, und so mancher denkt, du sitzt daheim und trinkst gemütlich Kaffee.

Der Alltag mit Kindern ist wunderschön und vor allem deswegen so anstrengend, weil man zu wenig Zeit hat. Und genau dann, wenn ich kaum Zeit für mich habe, taucht irgendwann der Bösewicht meiner Innenwelt auf. Die Angst. Sie grinst ihr fauliges Grinsen. 

Ich musste neue Wege finden, damit es mir gut geht. 

  • Ich brauche Zeit für mich. 
  • Meditieren wirkt Wunder. 
  • Bewegung wirkt Wunder. 
  • Wenn ich überfordert bin, lasse ich Himself übernehmen, oder lasse sie ohne schlechtes Gewissen TV schauen und nehme mir 10 Minuten. Denn: es ist okay, sich eine Auszeit zu nehmen. Mehr noch, es ist nicht okay, dies nicht zu tun.

Drum bin ich mal weg. Die automatische Abwesenheitsmeldung habe ich eingeschaltet. Ich habe ein Buch, ein Bad und wer weiss, vielleicht sogar eine Gesichtsmaske (also eine Pflegende…)

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1 Kommentar

  1. Pausen sind immer gut, ob mit oder auch ohne Kind. Das Foto von Dir ist wunderbar. Drücke Dich, Susanne

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