Die Ruhe

Und plötzlich ist alles anders. Unfassbarer, langsamer und ein bisschen einsamer.

Blinzelnd sitze ich in dieser plötzlichen Ruhe.

Jetzt, bei undichtem Laub, sehe ich durch das Fenster die Aare vorbeiziehen. Still und leise und schön und ich freue mich für sie, denn sie erholt sich vom ganzen Sommertrubel, von den Aarebötlern und Bädlern und den aufblasbaren Einhörnern und Flamingos. Ich beobachte den Silberreiher im Sumpfland. Die Frühlingssonne blendet mich. 

Blinzelnd denke über diese plötzlich verordnete Ruhe nach; über die Welt und wie sie sich wohl jetzt fühlt. Ob sie es auch geniesst, wie die leise dahinfliessende Aare? Ob sie sich wundert ab den Menschen, die alle auf einmal stiller werden? Ob sie endlich mal wieder tiefer atmet?

Ich bin erstaunt, wie schnell alles anders sein kann und mir immer bewusster, dass vieles, das «halt so ist» ein von uns gebautes Konstrukt ist, ein System – und somit auch ganz anders sein könnte. In dieser Ruhe versteckt liegt wohl auch die Chance, was halt so ist zu überdenken und Neues zu wagen.

Bestimmt liegt in dieser Ruhe die Möglichkeit, solidarisch zu sein. Sei dies für jemanden einkaufen zu gehen, eine Petition für bedingungsloses Grundeinkommen zu unterschreiben, einmal mehr bei der Grossmama anzurufen, die jetzt ihre Enkelkinder nicht sehen kann, zu checken, ob Kleinunternehmen aktuell einen Lieferservice oder einen kleinen Onlineshop anbieten, einen Gutschein zu kaufen fürs Lieblingsrestaurant oder den Coiffeur oder fürs Hotel oder den Spa… 

Ausserdem war es noch niemals so einfach, eine gute Tat zu tun wie jetzt, denn zu Hause zu bleiben und auf dem Sofa zu chillen ist eine gute Tat!  Wenn die Decke auf den Kopf zu fallen scheint und es einsam wird, denke ich daran…irgendwann können wir uns wieder umarmen und essen gehen oder ins Theater oder Pilates, wir können die Köpfe zusammenstecken und uns Geheimnisse zuflüstern. Ich freue mich da drauf. Und bis dann, schicke ich von meinem Sofa ganz viel Liebe hinaus in die Welt, die, wer weiss, vielleicht endlich mal wieder tiefer atmen kann. 

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5 Kommentare

  1. Ja, so sehe ich das auch. Einen Drücker von Sofa zu Sofa.

    1. 💛 habe heute grad deinen schönen Beitrag gelesen und mir auch gedacht, dass wir da wohl ähnlich denken… und dann hast du mich mit dem „I don‘t want to be a star“ zum Lachen gebracht!😊

  2. Dieser Text ist wieder so originell, so poetisch und tiefsinnig zugleich! Liebste Grüsse und gute Wünsche du kreative Schreiberin!

    1. Merci vielmal💕 zum Glück seid ihr wohlauf!

  3. Pingback: Corona Time – Es wird Zeit, dass es Zeit wird.

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